Im hessischen Fußballverband gibt es ein Pilotprojekt. Die hiesigen Trainer, Spieler, Funktionäre und Schiedsrichter haben ihre ganz eigene Sicht auf die Dinge. Es gibt einige Vor- aber auch einige Nachteile. Das BBV hat sich umgehört.
Zur Saison 1978/1979 führte der Deutsche Fußball-Bund einst eine zehnminütige Zeitstrafe im Amateurbereich ein. Erst mit Einführung der Gelb-Roten Karte 1992 verschwand die Zeitstrafe im Seniorenbereich wieder. Nun gibt es Überlegungen, sie auf Kreisebene im Seniorenbereich wieder flächendeckend einzuführen.
So stimmte der DFB vor wenigen Tagen einem Pilotprojekt in Hessen zu, das über zwei Jahre den Einsatz von Zeitstrafen auf Kreisebene, und zwar ausdrücklich bei Männern und Frauen, Jungs und Mädchen, testen soll. Ablaufen soll das Ganze so, dass die Zeitstrafe als zusätzliches Instrument für den Schiedsrichter zwischen die Gelbe und Rote Karte gelegt werden soll. Erst nach einer abgesessenen Zeitstrafe soll es in der Regel einen Platzverweis geben.
Der Spieler soll sich so etwa für zehn Minuten am Spielfeldrand unter dem Einfluss von Personen seines Vereins wieder beruhigen. Gerade eine Gelb-Rote Karte, die der eine oder andere Akteur bislang aus Frust wegen Meckerns kassiert hat, könnte so wahrscheinlich vermieden werden. Der Wunsch nach dieser Lösung war aus den hessischen Vereinen an den Verband herangetragen worden.
„Das ist sicherlich eine interessante Sache, die wir verfolgen werden“, sagt Henrik Lerch, Pressesprecher des Fußballverbandes Niederrhein. Nach dem Beschluss des DFB-Präsidiums war beim FVN mal kurz über das Thema gesprochen worden. Ab der kommenden Saison wird aber zunächst einmal nach Hessen geschaut. „Ich selber kenne die Zeitstrafe noch aus meiner aktiven Zeit als Fußballer. Ich selber habe einmal eine Zeitstrafe bekommen. Da war es in der Tat so, dass ich mich anschließend beruhigt hatte“, sagt Lerch.
Johannes Pelgrim (Foto links), Beisitzer im Kreisschiedsrichterausschuss, war nach eigener Aussage „früher ganz begeistert von der Sache. Das gibt dem Spieler Zeit, zu überlegen.“ Im Jugendbereich sei es so, dass eine Fünf-Minuten-Strafe deutlich mehr Wirkung zeige als eine Gelbe Karte. „Da lachen die Spieler zum Teil drüber.“ Lediglich im Winter sei die Zeitstrafe manchmal ein Nachteil, weil die Akteure dann verschwitzt am Spielfeldrand stehen und frieren“, so Pelgrim. Ein Vorteil sei für die Akteure hingegen, dass sie bei einer Zeitstrafe, anders als bei einer Gelb-Roten Karte, auch nicht im folgenden Spiel gesperrt seien.
Das BBV hat mit einigen Trainern und Spielern gesprochen und um ihre Meinungen gebeten.
Dennis Böing, Trainer des B-Kreisligisten DJK SF 97/30 Lowick III: „Ich bin da kein Freund von. Wenn es künftig auch noch eine Zeitstrafe geben würde, dann würde der Spielfluss doch arg verlorengehen. Außerdem bietet das Ganze noch mehr Diskussionsstoff. Wann gebe ich Gelb, wann eine Zeitstrafe und wann eine Rote Karte? Wir haben aber schon genug Palaver auf dem Platz.“
Nick Rottstegge, Spieler des A-Ligisten TuB Mussum: „Es kommt darauf an, was für ein Vergehen vorliegt. Die Schiedsrichter wurden in der Winterpause ja angehalten, alles zu untersagen. Emotionen gehören aber zum Fußball dazu. Da könnte eine Zeitstrafe schon helfen, ein bisschen runterzukommen.“
Orhan Dokumaci, Trainer des VfL Rhede II, der im Sommer den SV Krechting übernimmt: „Ich finde das ganz sinnvoll. Das macht es dem Trainer einfacher, zu reagieren. Wenn ein Spieler eine Zeitstrafe bekommt, kann der Trainer ihn danach auswechseln. Viele Vereine haben in den unteren Ligen ja doch kleine Kader. Und der Schiedsrichter kann mehr abwägen, wie schwer das Vergehen wirklich war. Das würde dann auch nicht immer so eine lange Sperre nach sich ziehen.“
Robert Rowoldt, Trainer des B-Kreisligisten GW Lankern: „Ich bin von Zeitstrafen kein Fan. Im Jugendbereich sind sie sicherlich eine erzieherische Maßnahme. Aber im Seniorenbereich sollte sich jeder so im Griff haben, dass die Gelbe und Rote Karte reichen.“
Daniel Giesbers, Spieler von TuB Mussum: „Ich halte das nicht für sinnvoll. Dann steht der Spieler zehn Minuten am Spielfeldrand und muss sich irgendwie warmhalten. Wenn jemand ein Vergehen begeht, das die zweite Gelbe Karte nach sich zieht, dann sollte er besser einen Platzverweis erhalten.“
In höheren Klassen wird die Zeitstrafe eher kritisch gesehen.
Manuel Jara (Foto links), Trainer des Oberligisten 1. FC Bocholt: „Die Frage ist, wohin das führen soll. Wird die Partie dadurch fairer oder nicht so hart? Ich glaube, dass sie eher härter wird, da der Puffer noch größer ist, bis es die Gelb-Rote Karte gibt. Und für die Schiedsrichter dürfte es noch schwieriger werden, das richtige Maß zu finden.“
Sammy Messalkhi, Coach des Frauen-Regionalligisten Borussia Bocholt: „Ich halte da nicht so viel von. Jeder im Seniorenbereich sollte sich einfach so im Griff haben, dass er nicht vom Platz fliegt. Da bedarf es nicht noch einer zusätzlichen Zeitstrafe.“
Quelle: B. Brinkmann, BBV, 25.03.2020
Fotos: DJK TuS Stenern